Viele Leute wünschen sich „einfach einmal Junge“ zu haben, in den meisten Fällen ist das jedoch keine sehr gute Idee. Und eines gleich vorweg: Ein seriöser Züchter wird keinen unkastrierten Bock an Nicht-Züchter abgeben ohne vorher sehr genau nachzufragen und aufzuklären. Einige Züchter verweigern die Abgabe von unkastrierten Böckchen an privat sogar komplett. Warum das so ist, will ich hier erklären:
Der richtige Zeitpunkt ein Meerschweinchenweibchen zu decken ist zwischen dem 5. und 9. Lebensmonat, bwz. 5 – 9 Monate nach der letzten Geburt. Nur dann. Alles andere ist fragwürdig bis fahrlässig. Junge Weibchen sollten ausserdem mindestens 500g wiegen, wenn Sie das erste Mal auf einen Bock treffen. Ist das weibchen jünger oder leichter besteht das Risiko, dass die Babys zu klein zur Welt kommen und deshalb nicht überleben.
Ist das Weibchen älter, bzw. der letzte Wurf länger her, so besteht die Gefahr, dass die Meerschweinchendame ihre Jungen nicht mehr gebären kann, weil das Becken nicht mehr dehnbar ist.
Der Grund dafür liegt in der Schambeinfuge (auf dem Bild als Riss gut erkennbar). Bei jungen Tieren wird dieser „Riss“ lediglich von Knorpeln zusammengehalten. Diese Knorpel beginnen sich im Laufe der Trächtigkeit aufzulösen, so dass das Becken sich für die Geburt an jener Stelle auftrennen kann. Nur so können die Meeriweibchen ihre Jungen gebären. Ist das Weibchen über ein Jahr alt, bzw. die letzte Geburt länger als ein Jahr her, so verwachsen diese beiden Knochen komplett miteinander und das Becken kann sich für die Geburt nicht mehr öffnen. Die Folge: Das Weibchen macht keine Wehen, die Kleinen wachsen immer weiter und, wenn man nicht vorher einen Kaiserschnittt machen lässt, irgendwann sind dann die Babys so gross, dass die Gebärmutter nicht mehr stand hält und reisst. Mutter und Kinder sind dem Tod geweiht.
Leider sind auch Kaiserschnitte bei Meerschweinchen selten bis gar nie von Erfolg gekrönt. Ich kenne keinen einzigen Fall, bei dem das Muttertier einen Kaiserschnitt überlebt hat. Entweder sie verstarben noch während der Operation oder dann innerhalb einer Woche danach. Von sieben Kaiserschnitten (7 Mütter, ca. 25 betroffene Babys) die wir selbst haben machen lassen hat keine Mutter und nur ein einziges Baby überlebt (per Handaufzucht, alle 3 Stunden „schöppele“, Tag und Nacht!).
Eine weitere wichtige Sache ist, dass die Meerschweinchenweibchen ab Tag der Geburt direkt wieder gedeckt werden können (innerhalb 24h) und das dann auch gerne wollen. Erstens ist es aber für ihre Gesundheit besser eine Pause zwischen zwei Würfen zu haben, und zweitens muss man sich gut überlegen, ob man auch Platz für zweimal Jungtiere hat. Kommt dazu, dass ein potenter Bock nach seiner Kastration noch bis zu 6 Wochen lebende Spermien in den Samensträngen „konservieren“ kann. Ergo kann er nach der Kastration noch bis zu 6 Wochen lang weiter decken. Wer also denkt, er könne den Bock 2 Wochen vor dem frühesten Geburtstermin kastrieren lassen um ein Nachdecken zu verhindern, der irrt gewaltig.
Und schliesslich ist da noch die Sache mit den Jungböcken die zur Welt kommen.
Erstens muss man sich gut überlegen wie man die Jungs unterbringt, falls 5 kleine Böckchen zur Welt kommen. Gemischte Gruppen (mehrere kastrierte Böcke mit mehreren Weibchen) funktionieren zwar gut, tun das in der Regel aber nur dann, wenn mindestens doppelt soviele Weibchen wie Männchen im Rudel leben und selbst hier kann niemend garantieren, dass nicht nach einem oder zwei Jahren einer der Jungböcke aufmüpfig wird. Es muss also ein Plan B her.
Zweitens werden die kleinen mit 4 – 6 Wochen geschlechtsreif und sind bereit um ihre Schwestern ggf. auch ihre Mutter zu decken. Das gibt nicht nur einen ganzen Haufen Inzuchtbabys sondern auch Radau unter den Jungs, wer nun der stärkste sei und die Mädels begatten darf.
Drittens müssen die Buben also mit ca. 2.5 – 3 Wochen (200 – 250g Körpergewicht) frühkastriert werden um schlimmeres zu verhindern. Eine Frühkastration kostet (je nach Tierarzt) zwischen 70 – 120 Franken pro Tier. Auch finanziell kommt da also einiges auf einen zu. Ausserdem führen nicht alle Tierärzte Frühkastrationen durch, es muss also schon im Vorfeld abgeklärt werden, welcher Tierarzt die Kastration für einen vornehmen kann (mit 4 Wochen und >250g ist es keine Frühkastration mehr!)
Mehr zu den Themen Trächtigkeit und Frühkastrationen gibt’s auf den entsprechenden Seiten.